BERUFSSTÄNDISCHE ORDNUNG:
ENTWICKLUNG DER IDEE BEI JOHANNES MESSNER

(DIPLOMARBEIT)

Eingereicht an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien zur Erlangung des akademischen Grades eines Magisters der Theologie der fachtheologischen Studienrichtung

Betreuer: O. Univ.-Prof. DDr. Rudolf Weiler - Wien, August 1993

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(Padre Alex)

(Im folgenden findest Du das Inhaltsverzeichnis der gesamten Arbeit sowie die Einleitung.)


INHALTSVERZEICHNIS

EINLEITUNG

Arbeitsschwerpunkt und technische Hinweise

I. ANFÄNGE DER IDEE DER BERUFSSTÄNDISCHEN ORDNUNG IM ÖSTERREICHISCHEN SOZIALKATHOLIZISMUS

1. Einleitende Kurzerklärung wichtiger Begriffe

1.1 Zur katholischen Soziallehre und ähnlichen Begriffen

1.2 Sozialreform und Sozialpolitik

1.3 Sozialkatholizismus

2. Allgemeine Vorgeschichte

3. Die österreichischen Hauptvertreter einer ständischen Ordnung

3.1. Karl von Vogelsang (1818 - 1890)

3.2. Franz Martin Schindler (1847 - 1922)

II. RICHTUNGEN DER KATHOLISCHEN SOZIALLEHRE IN ÖSTERREICH UND IHRE AUFFASSUNGEN DER BERUFSSTÄNDISCHEN ORDNUNG

1. Die romantisch-konservativen Grundrichtungen

1.1 Richtung Anton Orel (und die Studienrunde katholischer Soziologen)

1.2 Richtung Karl Lugmayer (und die Christliche Arbeiterbewegung)

1.3 Weitere wichtige Richtungen

1.3.1 Richtung Joseph Eberle (Schönere Zukunft)

1.3.2 Richtung Ernst Karl Winter (Methodendualismus)

1.4 Universalistische Richtung Othmar Spann

2. Die sozialrealistische(n) Grundrichtung(en): Katholische Mitte bzw. Solidarismus

III. JOHANNES MESSNERS SOZIALWISSENSCHAFTLICHES WIRKEN UND SEIN EINFLUSS AUF DIE ENTWICKLUNG DER KATHOLISCHEN SOZIALLEHRE IN ÖSTERREICH BIS 1933

1. Der Werdegang und Studienweg bis 1925 (Hirtenbrief)

2. Wirken und Arbeiten Messners 1925 - 1933

2.1 Der Sozialhirtenbrief, sein Umfeld und seine Bewertung

2.2 Messners Habilitations-Vortrag "Sozialökonomik und Sozialethik"

2.2.1 Sozialrealismus

2.2.2 Zur Gemeinschaftsidee

2.2.3 Ansatz bei der Arbeitsgemeinschaft

2.2.4 Staat - Stände und Beruf

Exkurs: Zur päpstlichen Sozialenzyklika "Quadragesimo anno", zu den "ordines" und späteren kirchlichen Stellungnahmen

2.3 Nach der Habilitation Messners bis 1933

2.4 Messners Bestehen auf Parität und Subsidiarität bei der Verfassungsreform

3. Zusammenfassung der Entwicklung bei Messner

IV. BERUFSSTÄNDISCHE ORDNUNG, "STÄNDESTAAT" UND JOHANNES MESSNER (1933 - 1938)

1. Das Werk "Die soziale Frage" und seine ersten vier Auflagen

1.1 Einordnung und Kurzbeurteilung des Werkes

1.2 Sozialrealistisch Einführendes aus der "Sozialen Frage"

1.3 Die berufsständische Ordnung in der "Sozialen Frage"

1.3.1 Einführendes

1.3.2 Zu Gewerkschaften und anderen freien Vereinigungen

1.3.3 Berufsständische Marktwirtschaft

1.3.4 Zu Entproletarisierung und Parität

1.3.5 Zu "Ständestaat", Demokratie und Verfassung

1.4 Änderungen in der vierten Auflage

1.4.1 Stände- und Volksvertretung

1.4.2 Bestimmung des Trägers der Staatsgewalt

1.4.3 Verhältnis zum Nationalsozialismus in der unmittelbaren Sozialreform

2. Wichtige historische Anmerkungen zu Dollfuß, Messner und Schuschnigg

3. Das Dollfußbuch: Berufsständische Ordnung, "Ständestaat" und Verhältnis zu Bundeskanzler Dr. Engelbert Dollfuß

3.1 Einordnung und Vorstellung

3.2 Wie sah DDr. Meßner Engelbert Dollfuß und sein "Staatsexperiment"?

3.2.1 Der wahre Führer

3.2.2 Zu Dollfuß' Wirken am Beispiel wichtiger Ereignisse und Phasen

a) Einleitende Hinführung Messners

b) Zur "Selbstausschaltung" des Parlamentes

c) Zur Zeit nach der "Selbstausschaltung" bis zum Bürgerkrieg

d) Zum Bürgerkrieg 1934

e) Zum Entstehen der neuen Verfassung, zu Demokratie und Diktatur

3.3 Das Dollfußbuch zur berufsständischen Ordnung

3.3.1 Zentralproblem Einheit - Freiheit

3.3.2 Von Vogelsang zu Dollfuß - Treue zu "Quadragesimo anno"

3.3.3 Wirtschaft, Sozialordnung und Gewerkschaften

3.3.4 Messners Sicht von "Quadragesimo anno" - Zwischenwertung

3.4 Das Dollfußbuch zum christlichen Staat

3.4.1 Grundsätzliche Ausführungen

3.4.2 Messners Sicht der Parteien und sein Gebrauch des Seipelzitates

3.4.3 Messners bis ins Detail zustimmend gehaltene Mai-Verfassungsdarstellung

3.5 Der bessere Ausdruck: "Ständedemokratie" - keine Augenblickslösung!

Kurzexkurs: Zur Wochenschrift "Der Christliche Ständestaat"

4. Soziale Woche 1935: Internationale Konferenz über die berufständische Ordnung

4.1 Messners Verteidigung des Österreichischen Weges gegenüber exemplarischer (ausländischer) Kritik

5. Die berufsständische Ordnung anhand des wissenschaftlichen Hauptwerkes Messners (1936)

5.1 Einordnung und Vorstellung

5.2 Zu den sozial- und rechtsphilosophischen Grundlagen

5.2.1 Gesellschaft als gegliederte Einheit

5.2.2 Der Beruf - gesellschaftliches Gliederungsprinzip

5.2.3 Der Berufsstand

a) Der Begriff "Berufsstand"

b) Die doppelte Verantwortung des Standes

c) Klasse ist nicht Stand

d) Die Gliedstellung des Standes und seine Ordnungsfunktion

Kurzexkurs: "Berufsständische Ordnung ohne Berufsstände?"

e) Die ständische Gesellschaft: verhältnismäßig beständiger und gefestigter

5.2.4 "Sozialrecht": Die Eigenständigkeit und das Selbstverwaltungsrecht des Standes (Autonomie)

a) Grundsätzliches

b) Aufgaben der ständischen Selbstverwaltung

5.3 Bau- und Funktionsgesetze der berufsständischen Ordnung

5.3.1 Grundvoraussetzung: Der Berufsstand ist also Körperschaft öffentlichen Rechtes

5.3.2 Organisationsgesetze der ständischen Gesellschaft

5.3.3 Die Arten der Berufsstände und ihrer Unterverbände

a) Grundsätze für die Einteilung

b) Konkrete Vorschläge

5.3.4 Die Organisation und das Handeln der berufsständischen Körperschaften und Verbände (Parität, Gemeinschaftsvorrang und Ehrenamtlichkeit)

a) Das "Gemeinwohl" in der Praxis

b) Zur wirtschaftlichen Ständekammer

5.3.5 Das Zusammenarbeiten der Berufsstände und die wirtschaftliche Ständekammer

5.4 Berufsständische Ordnung und staatliche Ordnung

5.4.1 Staat und Einzelmensch

5.4.2 Staat und Gesellschaft: Berufsständische Ordnung ist gesellschaftliche Ordnung

5.4.3 Staat und Stand: Der autoritäre Staat im Verhältnis zur ständischen Autonomie

5.4.4 Demokratie und berufsständische Ordnung

a) Zur Kritik an der formalen Parteiendemokratie und zu den Aussagen Seipels

b) Die Verfassungsprinzipien und die wahre Demokratie

c) Zu Fragen nach einer Volks-, Stände- und Staatsvertretung im Zusammenhang mit der Staatsunmittelbarkeit, nachbarschaftlichen und ständischen Gliederung (mit Berücksichtigung der VF)

d) Der Unterschied zwischen dem Autoritäts- und Führerprinzip

e) Zwischenwertung der Haltung Messners zur Parteiendemokratie

5.4.5 Der Ständestaat bzw. Korporativstaat

a) Der Ständestaat als Identifizierung von Staat und Gesellschaft

b) Der Ständestaat des "reinen" Korporativismus

c) Der für Messner einzig legitime Gebrauch des Begriffes "Ständestaat"

5.4.6 Der Staat und die berufsständische Neuordnung der Gesellschaft (mit weiterem Österreichbezug)

5.5 Berufsständische Ordnung und wirtschaftliche Ordnung

5.5.1 Die Aufgabe der berufsständischen Ordnung auf dem Gebiet der Wirtschaft

a) Grundsätzliche Ausführungen

b) Voraussetzungen für die berufsständische Neuordnung der Wirtschaft

5.5.2 Die Grundverfassung der Wirtschaft in der berufsständischen Ordnung

5.5.3 Die Ordnung des Wettbewerbs

a) Die Verantwortung

b) Die Kontrolle

c) Die dreifache Aufgabe des geordneten Wettbewerbs

5.5.4 Grundfrage: Berufsständische Ordnung und kapitalistische Wirtschaft?

5.5.5 Die Wirtschaftspolitik in der berufsständischen Ordnung

a) Aufgabe(n) berufsständischer Wirtschaftspolitik

b) Die Träger der Wirtschaftspolitik in der berufsständischen Ordnung (Parität)

5.5.6 Preis, Zins und Lohn in der berufsständisch geordneten Wirtschaft

a) Preis

b) Zins

c) Lohn

5.6 Berufsständische Ordnung und soziale Ordnung

5.6.1 Berufsständische Ordnung gegenüber der Klassengesellschaft

5.6.2 Proletarität und die Aufgabe der Entproletarisierung

5.6.3 Die gesellschaftliche Eingliederung der Arbeiterschaft

a) Wirtschaftliche Existenzsicherung

b) Die soziale Gleichberechtigung

aa) Die paritätischen Ausschüsse

bb) Der Tarifvertrag und die Tarifgemeinschaft

cc) Zum Rechtsgedanken, Endzustand und zur überbetrieblichen Regelung

5.6.4 Die Ordnung des Arbeitsmarktes

5.6.5 Die Sozialversicherung

5.6.6 Die Sozialpolitik

5.6.7 Die Selbsthilfeorganisationen in der berufsständischen Ordnung

a) Die sozialen Selbsthilfeorganisationen (Gewerkschaften - Einheitsgewerkschaft): Stellung und verbleibende Aufgaben

b) Die wirtschaftlichen Selbsthilfeorganisationen

aa) Kartell

bb) Die Genossenschaft

5.6.8 Die soziale Ordnung im Betrieb

5.7 Berufsständische Ordnung und Volksordnung

6. Ausgewählte Kommentare zu Messners Werk "Berufständische Ordnung" vor 1938

7. Letzte Entwicklungen in der fünften Auflage der "Sozialen Frage" vor dem Einmarsch Hitlers

7.1 Einordnung und Vorstellung

7.2 Verstärkte oder neue Akzente: Dualismus, Berufsgemeinschaft, Gemeinwohlgesetz

7.2.1 Der christliche Dualismus und die Absetzung von totalitären Ideologien

7.2.2 Eingebaute Veränderungen zur berufsständischen Ordnung im allgemeinen

7.2.3 Die zusätzliche Behandlung des Gemeinwohlgesetzes

7.3 Ausdrücklicher formulierte berufsständische Elemente im Verhältnis zur wirtschaftlichen Ordnung bzw. zum Kapitalismus

7.3.1 Terminologische und andere allgemeine Auffälligkeiten

7.3.2 Weitere konkretere Einzelbeispiele

7.4 Entwicklungen in bezug zur sozialen Ordnung

7.4.1 Positive Stellung zur Einheitsgewerkschaft und zu den Gewerkschaften im allgemeinen

7.4.2 Noch mehr in Richtung Paritätsprinzip und Wirtschaftskammer

7.4.3 Der ausgebaute Siedlungsabschnitt (Leo XIII.)

7.5 Verstärkt positive Formulierungen für Österreichs Staat

7.6 Wertung der Position Messners (1938)

V. ZUR BERUFSSTÄNDISCHEN ORDNUNG UND ZUM "STÄNDESTAAT" NACH 1945 - VON UND ÜBER JOHANNES MESSNER

1. Im "Naturrecht" 1950

1.1 Vorstellung und Kurzbewertung

1.2 Direkte Bezugnahmen auf die "Berufständische Ordnung" 1936

1.3 Kontinuität im Sozialrealismus

1.4 Rund um die Berufsgemeinschaft

1.4.1 Zu den sozialphilosophischen Grundlagen

1.4.2 Ansätze berufsgemeinschaftlicher Organisation

1.4.3 Natur und Funktion der Berufsgemeinschaft - relative Autonomie

1.4.4 Gemeinschaft in der naturrechtlichen Ordnung und geschichtliche Faktoren

1.4.5 Von der formalen zur sozialen Demokratie

1.4.6 Selbstverwaltungsgebiete

1.5 Zu den Baugesetzen

1.6 Zur wirtschaftlichen Ordnung

1.6.1 Zum Begriff der "berufständischen Ordnung" im Vergleich zum neuen Begriff der "sozialen Demokratie"

1.6.2 Die naturrechtliche Prinzipienvielfalt und der Wettbewerb

1.6.3 Aussicht des geordneten Wettbewerbs (1949/50)

1.6.4 Wirtschaftskammer

1.7 Zur sozialen Ordnung

1.7.1 Arbeit als ein vollwertiges Ordnungsprinzip

1.7.2 Rund um die paritätische Preiskontrolle

1.7.3 Gewerkschaften allein sind zu wenig

1.7.4 Zum Streikrecht und zur Einheitsgewerkschaft

1.8 Zur staatlich-politischen Ordnung

1.8.1 Zur gemischten Staatsform

1.8.2 Subsidiaritäts- und Autoritätsprinzip

1.8.3 Träger der Staatsgewalt (gegen den Universalismus)

1.8.4 Notfall und legitime Möglichkeiten des Staates: Verwechslungsgefahr

1.8.5 Zur Staatsräson

1.8.6 Zur Verfassungspräambel und zu den Parteien

1.9 Unterschiede zwischen modernem und mittelalterlichem System beruflicher Organisation

1.10 Zusammenfassung: Was ist soziale Demokratie?

1.10.1 Beobachtungen im "Naturrecht" 1950

1.10.2 Wirtschaftliche Bedeutung

1.10.3 Soziale Bedeutung

1.10.4 Politische Bedeutung

1.10.5 Geistige Bedeutung

2. Kurze Anmerkungen zur Verbindungslinie der berufsständischen Ordnung als Ordnungsidee zur Sozialpartnerschaft

2.1 Heutiges Verständnis der Sozialpartnerschaft (in Österreich)

2.2 "Berufsständische Ordnung und Sozialpartnerschaft" bei Messner selbst

2.3 Versuch einer Bewertung der bei Messner aufgezeigten Verbindungslinie

2.4 Bleibendes der berufsständischen Ordnung: Prinzipien, Berufs- und Kulturgedanke - weiterhin kein "dritter" Weg

2.4.1 Prinzipieller Kern

2.4.2 Beruf und Kultur

2.4.3 Weiterhin kein "dritter" Weg

3. Problemgeschichtliche Anmerkungen Messners zur Zwischenkriegszeit

3.1 Allgemeine Lage der Sozialethik

3.2 Zum Experiment des Staates mit berufsständischer Gesellschaftsordnung

4. Kommentare zur historischen Rolle Messners und kurze Wertung: Der "Austrofaschismus"- und Ideologenvorwurf

4.1 Zum Faschismusbegriff und zu konkreten Beispielen der Beurteilung Messners

4.2 Zum Ideologiebegriff und -vorwurf im allgemeinen - Gesamtergebnis

ZUSAMMENFASSUNG UND SCHLUSSWORT

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS

LITERATURVERZEICHNIS


EINLEITUNG

Im Jahre 1991 wurde auch in Österreich das 100jährige Jubiläum der katholischen Soziallehre im engeren Sinne zum Anlaß verschiedener Veranstaltungen genommen. Eine auch durch ihren Begleitband noch in Erinnerung stehende ist zweifellos die Ausstellung "Zeit-gerecht. 100 Jahre katholische Soziallehre - Sichtweisen, Orientierungen, Initiativen", welche im Museum Industrielle Arbeitswelt (Steyr) ab 12. Apr. 1991 präsentiert wurde.(1) Der zeitlich zum Teil damit zusammenfallende 100. Geburtstag wichtiger Persönlichkeiten wie Johannes Messner, Karl Lugmayer, Engelbert Dollfuß oder Leopold Kunschak könnte ebenso mit Veranstaltungen angeführt werden.

Im erwähnten Begleitband haben die Ausführungen zur berufsständischen Ordnung bei mir besonderes Interesse hervorgerufen.(2) Stößt schon die historische Feststellung, daß "Quadragesimo anno" (= QA) die österreichischen Katholiken "in einer Zeit zunehmender Intoleranz und Radikalisierung wie größter ökonomischer Not auf dem beharrlichen Weg von der Demokratie in die Diktatur"(3) fand, oder die undifferenzierte Bezeichnung "Ära des Austrofaschismus"(4) für den österreichischen "Ständestaat" nicht überall auf allgemeine Zustimmung(5), so erweist sich besonders die Abschlußfeststellung der Autoren im Anschluß an die Nennung von QA einer kritischen Infragestellung würdig: "Dem Gedanken der gesellschaftlichen Ordnung war nur ein kurzes Leben beschieden, er hat sich nicht wieder aus dem Grabe erhoben. Die katholische Soziallehre kann aber, wie Oswald von Nell-Breuning konstatiert, kein Ordnungsbild der menschlichen Gesellschaft mehr anbieten, das der Marxschen klassenlosen Gesellschaft entgegengesetzt werden könnte."(6) Ebenso verwundert die (vielleicht damit in Zusammenhang stehende) inhaltliche Nichtbehandlung des bedeutenden österreichischen Sozialethikers Johannes Messner(7), der lediglich mit einer Photographie im Begleitband vertreten ist.(8) Mit den Worten Bischof Maximilian Aicherns wird man zunächst fragen dürfen, ob hier wirklich nüchtern, kritisch und engagiert zugleich die vielfältigen christlichen Initiativen mit ihren Auswirkungen auf die Gesellschaft dargelegt wurden.(9)

So hat diese Ausstellung mit ihrem Begleitband einen offenen Brief österreichischer Historiker(10) hervorgerufen. Darin heißt es u. a.: "Die Ausstellung übt ... nicht Kritik, sondern nimmt Partei. Der Marxismus wird zur besseren Soziallehre gemacht: Die katholische Soziallehre könne kein Weltbild anbieten, das der Marxschen klassenlosen Gesellschaft entgegengesetzt werden könne (Beiband, 55), wird im Jahr des völligen Scheiterns des Marxismus behauptet (...) Der umfangreiche Katalogband bringt eine Fälle von Aufsätzen zu 'Christentum und Sozialismus', 'Christliche Soziallehre und Grüne' ... aber keinen Beitrag 'Christlichsoziale Partei' ... und überhaupt wenig über jene, die an der Formulierung und politischen Durchsetzung christlichsozialer Ideen und Vorstellungen den entscheidenden Anteil hatten."(11) Außerdem stellten sie fest: "Dem 'Austrofaschismus' wird der 'Deutsche Faschismus' parallel gesetzt (Beiband, S. 130, 132), statt den Nationalsozialismus gerade in seinem Kampf gegen den österreichischen Ständestaat beim Wort zu nehmen."(12)

Auf eine andere wichtige Wortmeldung zur Ausstellung, nämlich jene Rudolf Weilers, muß hier einleitend Bezug genommen werden(13). Klar schreibt der Nachfolger Johannes Messners auf dessen Lehrstuhl, daß die Autoren Kristöfl und Steinkellner im Begleittext QA fälschlich unterstellten, "ein ideologisches Sozialmodell zu haben auf gleicher Ebene wie Liberalismus und Sozialismus."(14) Aber nicht nur zum häufig wiederkehrenden Gedanken des einfachen dritten Weges der katholischen Soziallehre(15) nimmt Weiler Stellung. "Die damals (in den dreißiger Jahren dieses Jahrhunderts, Anm. v. Verf.) führende Richtung in der christlichen Sozialreform Österreichs, die am besten als Richtung des sozialen Realismus mit Johannes Messner bezeichnet wird, und die christliche Arbeiterbewegung waren aber keineswegs einfach 'der Parteiführung in die Diktatur gefolgt' (...) Dieser Abschnitt (der berufsständischen Ordnung in QA, Anm. v. Verf.) war auch nach der Lehrmeinung österreichischer Kreise und insbesondere Johannes Messners nicht als politisches Verfassungsmodell zu verstehen, sondern als Ordnungsidee aufzufassen. Der Ständegedanke bot der Kirche und der christlichen Arbeiterbewegung sogar die Möglichkeit, sich als Ordnungskraft mit sozialreformerischen Zielen auch unter den vorhandenen politischen Umständen selbständig zu erhalten (...) Die Soziallehre der Kirche will bekanntlich keine Modelle anbieten, auch keine Alternative zum Marxismus oder eine kapitalistische Alternative wie den Liberalismus, sondern Ordnungsprinzipien, aus denen dann auf die nötigen Sozialreformen zu schließen wäre. Wo die Autoren auch hier ihre Belegstellen bei Oswald von Nell-Breuning gefunden hätten, wäre interessant, da dieser zum Beispiel in einer Buchbesprechung in den 'Stimmen der Zeit' (178. Bd., 150 - 153) zu Gerhard Silberbauers Buch 'Stand oder Klasse' das genaue Gegenteil feststellt."(16)

Arbeitsschwerpunkt und technische Hinweise

Die Diskussion ist weitergegangen(17) und hat mir einen zusätzlichen Anstoß gegeben, der Idee der berufsständischen Ordnung bei Johannes Messner nachzugehen, insbesondere im Blick auf sein Verhältnis zum österreichischen Weg vor dem Anschluß und hier auch zu Bundeskanzler Dr. Dollfuß (bzw. Dr. Kurt Schuschnigg). Es wird also auch um den Vorwurf des "Austrofaschismus" gegen Johannes Messner gehen, ebenso um die Frage, ob Messner mit einer berufsständischen Ordnung einen sog. "dritten" Weg vorgeschlagen hat. Es kann sich bei dieser Arbeit aufgrund der Literaturfülle sicher nicht um eine sehr detaillierte Entwicklungsgeschichte handeln, ihr Schwerpunkt liegt bei den größeren Werken Messners von 1927 bis 1950.

Nach längerem Überlegen und dem Studium der Hauptwerke Messners habe ich mich entschlossen, von dem Buch "Die berufständische Ordnung" (1936) auszugehen und Entwicklungen bzw. Veränderungen sowohl vor als auch nach diesem darzustellen. Wie gut das Vorhaben gelungen ist, mögen kritische Leser prüfen. Gewisse Wiederholungen sind jedenfalls nicht ausgeschlossen, aber die relativ umstrittene Thematik rechtfertigt einen stärkeren Bezug auf die authentischen Worte Messners. Hervorhebungen im Original wurden bei allen Autoren immer übernommen (meistens als Kursivdruck), soweit nicht anders angegeben. Sofern in dieser Arbeit sogleich nach wörtlichen Zitaten keine Anmerkungen folgen, entspricht der Fundort jeweils den Angaben der nächsten Anmerkung im fortlaufenden Text.

Ich habe mich für die jetzt gängige Schreibform "berufsständisch" und "Berufsstand" entschieden, weil bei Messner vor und auch nach seinem Hauptwerk über unsere Thematik diese Schreibweise fast immer vorliegt. Die 1936 gepflegte und in der "Sozialen Frage" 1938 nur in Ansätzen intendierte Schreibweise ohne das "s" scheint nur eine Anpassung an die damals geläufigen Theoretiker darzustellen. Weiters habe ich mich auch entschieden, den Familiennamen Johannes Messners einheitlich mit dem doppelten S zu verwenden.(18) In beiden Fällen geschieht dies nur, soweit es an mir liegt.

An dieser Stelle danke ich vor allen Herrn Univ.-Prof. DDr. Weiler herzlich für die Anregung zu dieser Arbeit, für alle wertvollen Arbeitshinweise und die hilfreiche Kritik.


ANMERKUNGEN ZUR EINLEITUNG

(1) Vgl. Tálos E./Riedlsperger A. (Hrsg.), Zeit-gerecht. 100 Jahre katholische Soziallehre, Steyr 1991, 4.

(2) Vgl. Kristöfl S./Steinkellner F., Im Interesse der Arbeiterschaft, in: a. a. O., 46 - 55, besonders 52 ff.

(3) A. a. O., 52, Hervorh. v. Verf.

(4) A. a. O., 54.

(5) Vgl. Reichhold L., Kampf um Österreich. Die Vaterländische Front und ihr Widerstand gegen den Anschluß 1933 - 1938. Eine Dokumentation. Mit einer Einleitung von Fritz Bock. Herausgegeben vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes, Wien 1984, 383 ff.: dort die Positionen von Jedlicka L., Holtmann E., Carsten F. L.; vgl. in dieser Arbeit die Abschnitte IV./2. und V./4.

(6) Kristöfl/Steinkellner, in: Tálos/Riedlsperger (Hrsg.; 1991) 55.

(7) Messner J., Christliche Soziallehre unter Feuer, in: ders., Ethik und Gesellschaft. Aufsätze 1965 - 1974, Köln 1975 (= Veröffentlichung der Katholischen Sozialwissenschaftlichen Zentralstelle Mönchengladbach), 385, hat beispielsweise also 1966 festgehalten: "Nach dem Zweiten Weltkrieg ist die Entwicklung der wirtschaftlichen und sozialen Ordnungsvorstellungen und der Ordnungspolitik in Europa auffallend in die Richtung des Ordnungsbildes der christlichen und kirchlichen Soziallehre gegangen." (Hervorh. v. Verf.); vgl. auch Schasching J., Johannes Messner. Ein dankbares Gedenken zum 100. Geburtstag, in: L'Osservatore Romano. Wochenausgabe in deutscher Sprache, 21. Jg. (22. Feb. 1991) 4: Messner habe betont, daß die berufsständische Ordnung in QA "nicht im Sinn eines 'Ständestaates' zu verstehen sei sondern als gesellschaftliches Ordnungsbild." (Hervorh. v. Verf.)

(8) Vgl. Kristöfl/Steinkellner, in: Tálos/Riedlsperger (Hrsg.; 1991) 55; immerhin sind unter seiner Photographie in einem kleinen Text drei seiner wichtigsten Werke angeführt. Auch Wohnout H., (Zeit)-gerecht? Eine Ausstellung zur katholischen Soziallehre, in: Academia. Zeitschrift für Politik und Kultur, 42. Jg., 5. H. (1991) 39 f., stellte die fehlende inhaltliche Auseinandersetzung der Gesamtausstellung mit Johannes Messner, aber auch mit Karl von Vogelsang, Franz Martin Schindler und August Maria Knoll, fest.

(9) Vgl. Aichern M., Geleitwort, in: a. a. O., 6: "Diese Ausstellung will die soziale Botschaft der Kirche angesichts der Herausforderungen durch den tiefgreifenden wirtschaftlichen, gesellschaftlichen, politischen und kulturellen Wandel aufzeigen ... als einen Versuch, nüchtern, kritisch und engagiert zugleich die vielfältigen christlichen Initiativen mit ihren Auswirkungen auf die Gesellschaft darzulegen."

(10) Vgl. Liebmann M. u. a., Offener Brief österreichischer Historiker, in: Gesellschaft & Politik. Zeitschrift für soziales und wirtschaftliches Engagement, 27. Jg. (4/91) 7 - 13; Verfasser dieses Briefes waren außerdem: Binder D. A. (Graz), Bruckmüller E. (Wien), Haselsteiner H. (Graz), Kriechbaumer R. (Salzburg), Rumpler H. (Klagenfurt), Sandgruber R. (Linz), Suppan A.

(11) A. a. O., 9 f.

(12) A. a. O., 11.

(13) Vgl. Weiler R., Bemerkungen zu Emmerich Tálos, Alois Riedlsperger (Hg.), Zeit-gerecht, 100 Jahre katholische Soziallehre, Steyr 1991. Betrifft das Kapitel Siegfried Kristöfl, Friedrich Steinkellner: Im Interesse der Arbeiterschaft (46 - 55), in: Gesellschaft & Politik (4/91) 13 - 16.

(14) A. a. O., 16; vgl. Kristöfl/Steinkellner, in: Tálos/Riedlsperger (Hrsg.; 1991) 51.

(15) Oder "der berufsständischen Ordnung", wie man für unsere Thematik passend sagen könnte.

(16) Ebd.; "Silberbaners Buch" wurde v. Verf. korrigiert. - An einer Stelle hat Nell-Breuning, O. v., Soziallehre der Kirche. Erläuterungen der lehramtlichen Dokumente. Herausgegeben von der Katholischen Sozialakademie Österreichs, Wien 31983, 56, tatsächlich geschrieben: "Die Machtergreifung des Nationalsozialismus in Deutschland, sein Übergriff auf Österreich, schließlich der Ausbruch des Zweiten Weltkriegs hat den Gedanken der neuen gesellschaftlichen Ordnung unter sich begraben; bis heute hat er sich nicht wieder aus dem Grabe zu erheben vermocht. So hat die katholische Soziallehre kein Ordnungsbild der menschlichen Gesellschaft anzubieten, das wir der Marxschen klassenlosen Gesellschaft entgegensetzen könnten (...) Nichtsdestoweniger können und sollen wir uns zum Ziel einer klassenfreien Gesellschaft bekennen". (Fettdruck v. Verf.)

(17) Vgl. Gesellschaft & Politik (4/91) 17 sowie (1/92) 30 - 38. Zu Wort kamen außer den bereits Genannten Weidenholzer J., Riedlsperger A., Tálos E., Mattl S.

(18) Vgl. Weiler R., Zur Frage der Richtungen in der katholischen Soziallehre Österreichs, in: Schambeck H./Weiler R. (Hrsg.), Der Mensch ist der Weg der Kirche. Festschrift für Johannes Schasching, Berlin 1992, 121, Anm. 12: "Im Laufe seines Englandaufenthaltes nach 1938 änderte Johannes Messner die Schreibung in seinem Namen auf das doppelte S. Daher findet sich besonders für die frühe Periode immer die Schreibweise mit ß!"


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